Irgendwie ist es tricky: wir denken wir leben, meistens überaktiv und modern, haben die neuesten Autos, Geräte, Wohnungen, Möbel … und merken kaum, dass wir auf vielen Ebenen weit vom wirklichen Leben entfernt sind. So sehen auch unsere neuen Stadtteile, Siedlungen, Häuser und Wohnungen aus als hätten sie keine Seele. Sie sind oft perfekt geplant, häufig fehlt ihnen aber die Atmosphäre, in der wir gerne ankommen und uns wohlfühlen können.
Was ist das Problem?
„Das Normalste ist das Schönste.“ hat Christoph Schlingensief einmal gesagt, vielleicht nachdem er das Dorf Gando in Burkina Faso kennengelernt hat und dafür sein Operndorf mit dem Architekten Francis Keré zu planen begann. Vielleicht hat mich deshalb mein Besuch in Tanzania an den Stellen ebenso beeindruckt, an denen es so ganz „normal“ zuging, Dörfer noch Dörfer, Dorfgemeinschaften noch Gemeinschaften waren.
Auch bei uns war Bauen früher einfacher. Für ein Haus wurden ca. 15 Baumaterialien aus der Region verwendet, und jedes Haus hat durch seine artverwandte Gestaltung automatisch die Dorfgemeinschaft gestärkt.
Wir in der westlichen Welt wollen und haben zu viel und merken oft nicht, was für uns, unsere Räume und dem Boden, auf dem wir bauen, angemessen ist. Legen Bauherren selbst Hand an, um Grundrisse zu entwerfen und Räume einzurichten, können sie unter unzähligen Produkten wählen. In der Komplexität der Aufgabe ist ihnen jedoch kaum bewusst, wozu jede Einzelentscheidung mit ihrer wechselseitigen Beeinflussung letztendlich führt. Unzählige Beispiele zeigen es. Wir müssen nur durch die Landschaft fahren …
Und wir als global player haben häufig den unmittelbaren Bezug zu unserem Wohnort verloren. Wir haben Haus-Beispiele von unseren Urlaubsreisen im Kopf und planen für unser Zuhause dann die Villa im toskanischen Stil. Oder wir folgen modischen Trends, haben überall bodentiefe Fenster mit Lamellen-Jalousien, zahlreiche nicht alternde Produkte ohne Sinn addiert und wollen vor allem unserer Individualität Ausdruck verleihen. Den tieferen Sinn des Bauens und Wohnens – dem Leben in Gemeinschaft – haben wir jedoch verloren.
MEHR ACHTSAMKEIT FÜR UNS UND UNSERE RÄUME
Jetzt durch die Corona-Beschränkungen erfahren wir den Unterschied. Im Homeoffice merken wir, dass sich Leben auch anders anfühlen kann: wir haben mehr Zeit für Familie, Freunde und uns selbst, machen Ausflüge in die Natur, lesen mal wieder ein Buch … sind entspannter und spüren dabei auch, wie unsere Räume auf uns wirken. Vielleicht fühlen wir uns im Homeoffice wohler als im Büroalltag oder auch zu sehr bedrängt durch zu viel Dinge zu Hause. Wir stehen im permanenten Wechselspiel mit unseren Räumen.
TRANSFORMATION
Das ist der spannendste Punkt in meiner Arbeit. Erkennen wir die unterschiedlichen Qualitäten des Wechselspiels, können wir Räume für unser Leben und Arbeiten nutzbar machen. Mit ihrer Gestaltung entscheiden wir, in welche Richtung wir gehen wollen. Finden wir die angemessene Gestaltungslösung für den Ort, kann Raumgestaltung unseren persönlichen Wandlungsprozess unterstützen und unser Zuhause zum individuellen Kraftort werden.
NEUES BEWUSSTSEIN
Wenn wir heute in unserem Lieblingscafé sitzen oder an unserem Lieblingsort Ferien machen stimmt einfach Vieles, was zu einem kraftvollen Ort beiträgt. Menschen haben dort mit Sinn, Verstand und Mühe ihre Ideen in ein schlüssiges Gesamtkonzept umgesetzt. Wir spüren ihre Stimmigkeit und fühlen uns an so einem schönen, stimmigen Ort wohl.
Hast du schon einmal darüber nachgedacht, warum es dir dort besonders gut gefällt? Es sind nur kleine Schritte vom Lieblingslokal um die Ecke zu einem schönen kraftvollen Zuhause! Wie es geht, erfährst du im nächsten Blog.